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Zweigstelle: Schulbibliothek	Standorte: Comic Wald	Status: Verfügbar	Vorbestellungen: 0	Frist:

Als Tillie Walden dem Eiskunstlauf den Rücken zuwendet und die Eishalle unter Tränen der Erleichterung verlässt, liegen 12 harte Jahre hinter ihr. Täglich morgens um 4 Uhr aufstehen, um noch vor dem Schulunterricht zu trainieren, ständige Wettbewerbe und Prüfungen und das alles in einer Welt, in der Minusgrade herrschen und eine glitzernde, hochgradig normierte Femininität. Keine leichte Umgebung für eine Jugendliche, die sich unter Gleichaltrigen oft fremd fühlt und vorsichtig ihr queeres Begehren zu entdecken beginnt. Wichtig werden daher vor allem ihre wenigen engen Beziehungen zu Menschen: Da ist ihre mütterliche Trainerin aus Kindertagen, die langjährige Eislauffreundin Lindsay, Tillies erste große Liebe Rae oder die Cello-Lehrerin, bei der sie plötzlich die richtigen Worte findet. Mit ihrer Hilfe setzt sich Tillie zur Wehr gegen die sie umgebenden Schönheits- und Leistungsideale. In ihrem autobiografischen Werk Pirouetten blickt Tillie Walden zurück und zeichnet die Reise ihres jugendlichen Ichs zu einer eigenen Identität in wunderschönen und intensiven Bildern nach, die stark sind und stark machen.Tillie Walden hat Pirouetten nur anhand ihrer Erinnerungen ohne große Recherchearbeit in wenigen Monaten fertiggestellt und diese emotionsgeladene Intensität steckt in jeder Seite, jedem Panel, zieht und zerrt an den Lesenden und hinterlässt bleibende Spuren. Nicht meine Erinnerungen möchte ich mit den Lesern und Leserinnen teilen, sondern meine Empfindungen, liest sich Waldens Stimme im Nachwort, und das ist genau das, was diesen mit dem Eisner Award ausgezeichneten autobiografischen Comic so besonders macht: Es geht nicht um eine möglichst wahrheitsgetreue Nacherzählung von Tillie Waldens Jugend, sondern um ihren kurvenreichen Weg zu sich selbst; nicht um Tillies Erfolge bei Wettkämpfen, sondern ihren inneren Kampf zwischen Ehrgeiz, Einsamkeit, Bindung und Autonomie; nicht um eine akkurate Abbildung der Eishalle, sondern um deren Geruch nach künstlicher Kälte; nicht um die korrekte Ausführung eines Axels, sondern um den Moment kurz vor dem Absprung, wenn man den Atem anhält und betet, dass alles gut geht. All diese kleinen und großen Emotionen wirft Walden mit schlichtem, aber treffsicherem Strich aufs Papier. Ihr Stil erinnert leise an Shojo- und Josei-Manga wie Nananan Kirikos Blue, spielt aber zusätzlich mit außergewöhnlichen Farben: Zarte Schattierungen und dunkle Flächen in kühlen Lilatönen füllen die oft nächtliche Welt der jungen Eiskunstläuferin, in den kostbaren Augenblicken mit geliebten Menschen stiehlt sich ein sonnenwarmes Gelb in die Zeichnungen. Zwischen Seiten mit 5 bis 7 Panels schieben sich ganzseitige Bilder, einfarbige Blätter oder auch mal ein innerer Monolog in 24 winzigen Panels und jedem Kapitel ist eine Eiskunstlauffigur vorangestellt. Reprodukt hat diesen besonderen Comic über eine queere Adoleszenz mit einer wirklich guten Übersetzung und sehr schöner Herstellung umgesetzt, sodass man hoffen darf, dass sich der Verlag mit der gleichen Achtung auch Tillie Waldens weiteren Werken annehmen wird. Vor allem On a Sunbeam (2018), eine hochdramatische Space Opera, in der Tillie Walden mit dem ihr eigenen glasklaren und doch so zärtlichen Blick die Untiefen ihrer diversen und unangepassten Figuren ans Licht holt, sollte auch hierzulande einschlagen wie ein flimmernder Meteorit. (1000 und 1 Buch/Franca Feil/www.biblio.at)